Wenn man mit Menschen Fußball guckt, die dies nur zu großen Turnieren tun und auch nur dann, weil sie durch ggf. partnerschaftliche oder freundschaftliche Verhältnisse dazu gezwungen werden, muss man meist eine Menge Geduld aufbringen. Die Beteiligten mögen es mir verzeihen, aber ich musste das hier notieren. Die Namen sind natürlich frei erfunden.
Samstag, erstes EM-Spiel für Deutschland. Wir treffen uns in einer Kleingartenkollonie zum Grillen und Fußall gucken.
Der Abend beginnt mit der Partie Niederlande gegen Dänemark. Nach Anpfiff erfolgte eine kurze Einweisung von S. an seine Freundin T.: „Wir sind für die Weißen.“ Die Niederlande spielten traditionell in Orange, die Dänen trugen weiße Trikots.
„Ich finde die oragen Trikots aber viel schöner. Wieso sind wir nicht für die?“ erwiderte T. ohne jegliches Gespür für die deutsche Fußballer-Ehre. Ein entnervtes „Weil das Holland ist!“ ließ die Rückfragen erst einmal verstummen.
Eine Viertelstunde später. Der Ball landet mehr zufällig vor dem dänischen Tor. „Ja, fast ein Tor!“ ruft T. freudig. Verwirrte Blicke streifen T. S. nimmt sie zur Seite: „Das waren aber die falschen.“ – „Ach so, die Weißen spielen in die andere Richtung?“ – „Ja, aber merk dir das nicht allzu lange, das ändert sich demnächst.“
Deutlich später ist das Grillgut über der glühenden Kohle gegart und verspeist worden. (G.: „Ich glaub die Kohle ist fertig.“ – S.: „Das bestimme immer noch ich, ich bin hier der Grillmeister.“ – (5 Minuten später) S.: „Länger sollten wir jetzt nicht warten. Die Kohle ist schon ganz schön weiß.“ – G.: „Das habe ich doch gerad schon gesagt.“) Das Deutschland-Spiel gegen Portugal beginnt.
B., die bislang nur durch vegetarische Pizza auf dem Grill aufgefallen ist, fragt: „Spielt Ballack gar nicht mit?“ Die Fußball-Erfahren lachen nach einem Moment des Schreckens laut auf und es folgt eine kurze Lehrstunde in jüngerer deutscher Fußballgeschichte.
An T. geht die Info: „Wir sind wieder für die Weißen und wir spielen nach rechts“. Diskussionen bzgl. der Trikot-Farbe werden im Keim erstickt. Erklärungen zum Heimrecht bei einem Spiel, obwohl es in einem fremden Land stattfindet und ja keine Mannschaft in dem Stadion beheimatet ist werden nach mehreren erfolglosen Versuchen abgebrochen.
Nach einigen Minuten kommt wieder die Frage auf: „In welche Richtung müssen wir doch gleich noch einmal spielen?“ Mit einer Mischung aus Belustigung und Unverständnis greifen die Erfahrenen (zumeist Männer) zu einem Trick und stellen eine Ketchup-Flasche rechts neben den Fernseher. „Wir spielen in Ketchup-Richtung.“ Erleichterung bei den Fußball-Unwissenden über diesen subtilen Hinweis.
Während der ersten Halbzeit wird jeder Ballkontakt des eher unbeliebten deutschen Stürmers mit einem „Klose hätte den rein gemacht“ kommentiert.
Nach der Pause (es steht noch immer 0:0) ist de Ketchup-Flasche auf misteriöse Art und Weise verschwunden. Also muss Ersatz her. Eine deutlich kleinere Flasche mit der Aufschrift „Steak-Sauce“ wird links vom Fernsehen platziert. „So, jetzt spielen wir auf die Steak-Sauce.“ Gelächter im Raum.
Kommentare seitens der Fußball-Unwissenden („Oh Mann, spiel doch in Richtung Steak-Sauce!“) und alberne Scherze („Vielleicht sollten wir den Fernseher rechts leicht anheben, dann rollt der Ball wegen dem Gefälle automatisch ins Tor.“) untermalen die erfolglosen Versuche beider Mannschaften, endlich das gegnerische Tor zu treffen.
Einige Zeit später schießt der deutsche Stürmer endlich ein Tor („Klose hätte den zwei Mal rein gemacht und einen Salto dabei geschlagen!“) und Jubel brandet in der kleinen Hütte auf. Der EM-Titel scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein.
Mehrere Herzstillstände später ist das Spiel zu Ende. „Ab sofort stellen wir jedes Mal eine Steak-Sauce auf die Seite des Fernsehers, in welche die Deutschen spielen müssen.“ – „Ja, und dann erzählen wir später unseren Enkelkindern die Geschichte, warum bei jedem Deutschland-Spiel eine Flasche Steak-Sauce neben dem Gerät stehen muss.“
Kommentare