„Dieses Jahr schenken wir uns nichts.“
Ja, sicher. Dieser Satz ist die vermutlich häufigste Lüge in der Vorweihnachtszeit. Wir halten uns daran (so weit möglich). Und wenn die Gastgeber zu diesem ominösen Pakt gehören, dann bekommt die Dame des Hauses einen kleinen Gruß („Statt Blumen.“) – das ist dann ja kein Geschenk.
Aber was hilft ein Blog-Artikel über dieses geschenkte Nichts? Da haben sich schon ganz andere dran versucht. Viel spannender wäre doch eigentlich ein Text über tatsächliche Geschenke. Und eigentlich auch nicht über die Geschenke selbst, sondern über den Schenkungsakt – also wer verschenkt mit welcher Intention wie was?
Ich habe dieses Jahr zum Beispiel von meinen Eltern einen Sparschäler bekommen. Begründung: Wir hätten zwar zwei Sparschäler, aber damit kommt meine Mutter nicht klar. Und da sie ab und an (tatsächlich eher selten) bei uns kocht, wollte sie einfach mal einen ihr genehmen Sparschäler vorfinden. Nun hätte dieses Küchenuntensil auch meine Frau bekommen können, aber angeblich koche ich häufiger. An sich ist der Sparschäler auch nur die Verpackung für ein Geldgeschenk gewesen, aber manchmal sorgt die Verpackung ja für mehr Gesprächsstoff als das Geschenk selbst. Nebenbei: Meine Frau bekam das Pendant zu meinem Geschenk: Zwei Kartoffeln.
Gerade bei Geldgeschenken ist die Verpackung anspruchsvoller als bei anderen Geschenken wie Büchern oder CDs (Papier rum, fertig). Alternativ kann man das Geldgeschenk aber auch einfach übergeben und dazu ein paar Dinge sagen – an sich der Horror bei einem Geschenk („Dazu wollte ich noch kurz etwas erzählen…“). Aber eine meiner liebsten Weihnachtserinnerungen hängt damit zusammen. Und diese Geschichte möchte ich eigentlich erzählen:
Es war Weihnachten 2001. Wie saßen in einer besinnlichen Groß-Familien-Runde bei meiner Tante im Wohnzimmer und die Bescherung lief. Dazu muss ich noch sagen, dass dieser Prozess bei uns recht lang und unterhaltsam abläuft und (abgesehen von aufgeregten Kindern) auch immer noch so läuft: Es wird immer nur ein Geschenk gleichzeitig ausgepackt und dann meistens direk im Anschluss erst einmal rumgezeigt.
Die längst verstorbenen Eltern meiner Mutter (also meine Großeltern) waren dabei und verschenkten wie jedes Jahr Geld – sowohl an ihre eigenen Kinder und deren Partner als auch an uns Enkelkinder. In besagten Jahr bestand die Verpackung des Geldes aus durchsichtigen Plastik-Gefäßen (ich meine, es waren verschließbare Kugeln), die mein Großvater vor der Bescherung an den Baum gehängt hatte.
Als es nun an diese Geldgeschenke ging, verteilte mein Großvater selbst diese Geschenke, setzte sich zurück in seinen Sessel und während wir uns alle freuten setzte er zu einer kleinen Apsrache an:
„Ihr Lieben“, sagte er, „dieses Jahr bekommt ihr wieder Geld von uns. Allerdings ist das in dieser Form das letzte Mal so.“
Plötzlich herrschte Stille im Raum. Alle Augen waren auf meinen Großvater gerichtet, der mit ernstem Gesicht dort saß und redete. Selbst meine Großmutter guckte irritiert und gespannt ihren Mann an, mit dem wir alle immer so viel Spaß hatten.
„Geschenke in dieser Form und Höhe werden nächstes Jahr nicht mehr möglich sein. Wir werden uns alle umstellen müssen.“ Langsam sah man die Panik in den Augen seiner drei Töchter aufblitzen. Was wollte er denn nun eigentlich sagen?
„Denn nächstes Jahr haben wir den Euro.“
Kurze Stille, dann brach lautes Gelächter aus. Es dauerte eine Weile, bis die Bescherung normal weiter gehen konnte.
Ich kann mich nicht an jedes Weihnachtsfest erinnern, an dieses aber eben besonders. Ich weiß auch nicht mehr, was es im darauf folgenden Jahr als Geschenk gab – vermutlich Geld, vermutlich weniger als noch zu D-Mark-Zeiten und vermutlich nicht ganz so lustig verpackt. Aber ich erinnere mich sehr gern daran zurück.
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